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28.09.2016: Eine Fallstudie für Bedarf an Prozessverbesserung bei Dienstleistungen

Vor ein paar Wochen brauchte ich dringend ein Visum, um einen Kundenauftrag in China zu bearbeiten. Es war Montag Nachmittag, am Freitag Abend wollte ich fliegen. Kein Problem also, denn auf der Webseite bei China Visum Express (offizieller Firmenname ist wohl 1a Visum Service oHG) steht "Express Service, Visum in 24 St. fertig". Auf den Unterseiten dann genauer: "Sämtliche Anträge, die bis 13 Uhr komplett bei uns vorliegen, werden noch am selben Tag zur Bearbeitung eingereicht. Sofern die Anträge unvollständig sind, können Sie eventuell fehlende Unterlagen per Email nachreichen" bzw. "Wenn uns Ihr Visumantrag bis 10:00 vollständig vorliegt, garantieren wir Ihnen die Einreichung noch am selben Tag. 24 Stunden später erhalten wir den Pass dann von der Visastelle zurück und schicken ihn ohne Zeitverzug an Sie zurück". Das ist jetzt nicht ganz konsistent, macht aber für mich keinen echten Unterschied.

Meine Erfahrungen dabei dienen mir jetzt zumindest als Fallbeispiel für Schulungen und Vorlesungen, wie eine Dienstleistung nicht aufgesetzt werden sollte. Hier der zeitliche Ablauf:

Montag, 5. September 2016: Ich bekomme die Zusage für einen Auftrag, bei dem ich kurzfristig einspringen soll. Am kommenden Sonntag soll es losgehen, ich muss also spätestens Freitag Abend fliegen. Nach kurzer Internet-Recherche fülle ich die entsprechenden Formulare aus, um gleich morgen das Visum zu beantragen.

Dienstag, 6. September 2016, 9:30 Uhr: Ich bin am Büro von China Visum Express, aber es ist niemand da. Ich rufe dort an und erfahre, dass die Mitarbeiterin derzeit auf dem Konsulat ist und in ca. einer halben Stunde zurück sein sollte. Ich könne die Unterlagen aber auch am Empfang abgeben, man kümmere sich dann darum. Das ist mir aber zu riskant und ich warte.

Dienstag, 6. September 2016, ca. 10:00 Uhr: Die Mitarbeiterin kommt zurück. Leider stellt sich heraus, dass sie eigentlich nicht für Visa nach China zuständig ist, aber sie fragt telefonisch bei ihren Kollegen am anderen Standort nach. Der zuständige Mitarbeiter soll im Lauf des Tages ins Büro kommen, also alles OK. Flug am Freitag Abend sollte kein Problem sein. Sie schaut noch die Unterlagen durch, weist mich darauf hin, dass ich (als Unternehmen) ein Entsendungsschreiben für mich (als Mitarbeiter) benötige, die Einladung des chinesischen Geschäftspartners reicht nicht aus. Davon hatte ich zwar auf der Webseite nichts gesehen, aber daran soll es nicht scheitern. Ansonsten sind die Unterlagen vollständig, auch die Liste meiner Auslandsaufenthalte in den letzten Jahren ist in Ordnung und sollte keine Probleme verursachen, da ich in dieser Zeit nicht in der Türkei war. Das wusste ich bislang nicht, aber zwischen China und der Türkei scheint es ziemliche Spannungen zu geben, und wenn man in der Türkei war, wird es wohl mit dem China-Visum schwierig.

Mittwoch, 7. September 2016, ca. 10:00 Uhr: Da ich noch nichts vom China Visum Express gehört habe, rufe ich an. Ja, man werde sich um das Visum kümmern. Sind die 24 Stunden nicht schon vorbei?

Mittwoch, 7. September 2016, 10:33 Uhr: Ich bekomme eine Mail vom China Visum Express. Es wird noch das Entsendungsschreiben benötigt, außerdem die Liste der bereisten Länder. Vorlagen liegen bei. Kein Problem, das Entsendungsschreiben habe ich in ein paar Minuten fertig und sende es eine Viertelstunde später zusammen mit dem Hinweis auf die schon vorliegende Liste der bereisten Länder zurück. Anschließend muss ich los, ich habe noch einen Termin.

Mittwoch, 7. September 2016, 11:27 Uhr: Die Antwort kommt "Ich kann im Moment nicht nachvollziehen, auf wessen Rechner sich die von Ihnen erstellte Liste der Auslandsreisen befindet. Ich möchte Sie herzlich bitten, mir diese – zusammen mit dem Entsendungsschreiben – noch einmal zuzumailen." Jetzt wird es ärgerlich, denn ich bin gerade unterwegs zu meinem Termin und kann die Liste erst in ein paar Stunden erneut senden. Ich schicke nochmals eine kurze Mail, dass die Liste ja schon vorliegt und die Kollegin das gestern auch bestätigt hat, bekomme aber keine Antwort.

Mittwoch, 7. September 2016, 15:06 Uhr: Ich bin wieder zu Hause und sende die Liste sofort los.

Freitag, 9. September 2016, ca. 10:00 Uhr: Noch keine Rückmeldung von China Visum Express. Allmählich werde ich mehr als nervös und rufe erneut an. Ja, der Visumsantrag ist beim Konsulat und das Visum soll am Montag fertig werden. Es ging nicht schneller, denn meine Unterlagen waren ja nicht vollständig. Mein Einwand, dass sie seit Mittwoch Vormittag vollständig sind, interessiert den Mitarbeiter nicht. Laut seinen Unterlagen waren die Unterlagen Mittwoch Nachmittag vollständig, gingen am Donnerstag zum Konsulat, und dann dauert es eben zwei (!) Arbeitstage.

Freitag, 9. September 2016, 13:38 Uhr: Die Rechnung des China Visum Express kommt per Email. Da mein Kunde gerade vorhin noch einmal nachgefragt hat, habe ich die Hoffnung, dass er sich auf eine Verschiebung um zwei Tage einlässt und bezahle sofort, mit dem Risiko, dass ich das Visum doch nicht mehr brauchen werde.

Freitag, 9. September 2016, 15:30 Uhr: Das Risiko tritt ein, mein Kunde sagt ab.

Montag, 12. September 2016, ca. 11:00 Uhr: Anruf vom China Visum Express: Mein Visum ist da. Ich teile der Mitarbeiterin mit, dass ich das Visum dank der langen "Express-"Bearbeitungszeit nicht mehr brauche, es aber in den nächsten Tagen abholen werde. (Da es ja in meinem Reisepass eingetragen ist, bleibt mir auch nicht viel anderes übrig.) Im Gegensatz zu den beiden vorigen telefonischen Gesprächspartnern ist sie wenigstens freundlich, aber das hilft mir mittlerweile natürlich auch nicht mehr. Wenige Minuten später kommt auch eine entsprechende Email, die ich ähnlich beantworte.

Dienstag, 13. September 2016: Nachricht auf meinem Anrufbeantworter: Das Visum ist da und kann abgeholt werden.

Mittwoch, 14. September 2016 (oder war es einen Tag später? Ich weiß es nicht mehr): Meine Tochter holt das Visum für mich ab, da sie sowieso in der Gegend ist. Allerdings gibt es erst einmal Diskussionen und Rückfragen, weil die Zahlung angeblich nicht eingegangen ist, aber letztendlich findet sie sich dann doch.

Übungsaufgaben

Rückmeldung von China Visum Express

Auf meine Nachricht mit obiger Zusammenfassung habe ich folgende Stellungnahme vom Geschäftsführer von 1a Visum Service oHG erhalten, die ich mit seiner Erlaubnis hier wiedergebe:

"Sehr geehrter Herr Kneuper,

Sie haben sehr gut und sachlich geschildert, in was für eine missliche Lage unsere Firma und unsere Kunden Ende August/Anfang September geraten sind. Hintergrund waren neue, für uns kaum nachvollziehbare Sicherheitsauflagen aus Peking, die über Nacht erlassen wurden und deren Umsetzung an den Visastellen in Deutschland nicht wirklich funktionierte.

Jeden Tag neue Dokumentenforderungen. Einbehaltung von Pässen zur weiteren Prüfung. Ablehnung von Visa-Anträgen ohne Begründung (es sickerte durch, dass Personen, die in der Türkei gewesen seien, betroffen sind). Unsere Mitarbeiter wurden für Stunden an der Visastelle festgehalten (für Abläufe, die sonst wenige Minuten dauerten).

Anlass war wohl der G20-Gipfel, indessen Vorfeld die Einreise von Terroristen verhindert werden sollte. Einige Beamte wollten sich wichtigmachen. Was von Ihnen geschildert wurde ist also korrekt, aber einem Notstand zu verdanken, den China ausgelöst hat.

Gott sei Dank hat sich die Situation zumindest teilweise wieder etwas beruhigt. Unsere Firma reicht die Visa-Anträge jetzt so weit als möglich an der Visastelle Berlin ein (Frankfurt ist nach wie vor unkalkulierbar). Ihr Fall wird ein Einzelfall bleiben. Wir bedauern sehr, dass Sie so viel Ärger hatten.

Mit freundlichen Grüßen
[Herr] Cay Friemuth"

Übungsaufgaben Teil 2

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